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Endlich hat Holz den Wert, der ihm zusteht

30.06.2021

Erschienen in der ALLGÄUER ZEITUNG am  28.06.2021

Von Ingrid Grohe

Mit freundlicher Genehmigung der Allgäuer Zeitung

 

Das Sägewerk Poschenrieder in Schüttentobel schöpft seine Kapazitäten aus, kann aber trotzdem nicht alle Kundenwünsche erfüllen. Warum der Familienbetrieb zur Zeit besonders von langjährigen Beziehungen profitiert.

Über die große Aufmerksamkeit, die seiner Branche in letzter Zeit zuteilwird, kann sich Dominic Poschenrieder nur wundern. Für Sägewerke und ihre Produkte interessiert sich die Öffentlichkeit normalerweise wenig. Jetzt aber, da Holz als Baustoff zunehmend begehrt und zugleich knapp wird, rücken internationale wie regionale Holzmärkte und Lieferketten in den Fokus. Dominic Poschenrieder hat gemeinsam mit seinem Bruder Timo seit Beginn dieses Jahres die Geschäftsführung des Sägewerks Poschenrieder in Schüttentobel (Gemeinde Grünenbach) inne. Das Familienunternehmen schöpft seine Kapazitäten derzeit voll aus – und kann trotzdem nicht alle Kundenwünsche erfüllen. Vor einem Jahr sah es noch ganz anders aus.

„Die Preise für Rundholz und Schnittholz waren schwach“, schildert Dominic Poschenrieder die damalige Situation. „Es gab viel Material am Markt – und keine Nachfrage.“ Das hatte auch mit Corona zu tun: Lieferketten waren unterbrochen, die Wirtschaft von Mitte März bis Mitte Juni ausgebremst. „Viele unserer Geschäfte haben sich nicht rentiert. Wir haben sie gemacht, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und die Leute zu beschäftigen.“

Das hat sich im Lauf des Sommers 2020 schnell geändert. „Wir haben im vergangenen Jahr insgesamt 20 Prozent mehr Holz eingeschnitten als zuvor“, sagt Dominic Poschenrieder. Im Durchschnitt der vorangegangenen Jahre verarbeitete der Sägebetrieb in Schüttentobel jeweils knapp 48 000 Festmeter Holz, 2020 waren es 58 000. „Und in diesem Jahr kommen wir vermutlich auf 70 000 Festmeter.“

Die Holzlager des Sägewerks in Schüttentobel sind ausreichend gefüllt. Die langjährigen guten Beziehungen mit ihren Lieferanten bewähren sich jetzt. Poschenrieder kauft Fichten und Tannen von Waldbauern, Forstunternehmen und staatlichen Wäldern aus einem Umkreis von 25 Kilometern. „Wir kaufen jeweils den ganzen Einschlag“, sagt Dominic Poschenrieder. Etwa 15 Prozent des Holzes verarbeitet die Säge zu keilgezinkten Leisten, die im Fahrzeugbau und Innenausbau, etwa als Sockelleisten, Verwendung finden. Mindere Qualitäten werden zu Industrieverpackungen wie großformatige Holzkisten für Maschinen verarbeitet. Beim regionalen Holzbau ist Poschenrieder dank seiner Spezialisierung wenig vertreten.

Dreiviertel der Kundschaft der Poschenrieders liegen in einem Umkreis von 100 Kilometern. Auch mit ihr pflegt das Unternehmen langjährige Beziehungen. „Unsere Kunden wurden teilweise schon von meinem Großvater betreut“, sagt der 32-jährige Dominic Poschenrieder, der wie sein Bruder Timo Holzwirtschaft und Holztechnik studiert hat. Selbst in der aktuell angespannten Situation werde die Stammkundschaft zuverlässig beliefert: „Sie erhält ihr Material innerhalb von zehn Tagen.“

Auf die Entwicklung des Preises hat der junge Geschäftsführer einen differenzierten Blick. „Aktuell zahlen wir 132 Prozent mehr für Rundholz als im vergangenen Jahr“, erklärt er. „Diese Preissteigerung können wir aber nicht in voller Höhe auf den Schnittholzpreis umlegen.“ Insgesamt spricht er von einer „guten Situation für holzverarbeitende Betriebe“. Klar sei der Rohstoff aktuell teuer, aber: „Es ist das erste Mal, dass jeder in der Kette Geld verdient.“ In früheren Zeiten sei das nicht so gewesen. „Die Preise für andere Wirtschaftsgüter steigen jedes Jahr um ein paar Prozent. Der Preis für Holz ist seit vier Jahrzehnten gleich geblieben.“ Jetzt endlich werde dem Rohstoff Holz der Wert zugestanden, den er eigentlich hat. „Immerhin stehen die Bäume 80 bis 120 Jahre im Wald.“

Holz ist laut Poschenrieder zur Genüge vorhanden. Er verweist auf eine Bestandserhebung in der Region Allgäu, die ergab, dass die Kapazitäten nicht ausreichen, um das vorhandene Material zu verarbeiten. Das liege aber auch an der seit Jahren anhaltenden Konzentration von Betrieben in der Branche, erklärt Dominic Poschenrieder. „Es gibt ein paar unheimlich große Unternehmen, die geben die Preise vor.“ Mit der Entscheidung, an wen sie ihr Stammholz verkaufen, könnten Waldbesitzer diese Entwicklung mit beeinflussen.

Solche Großunternehmen sind um ein Vielfaches größer als der Familienbetrieb Poschenrieder, verfügen über mehrere Standorte, teils in verschiedenen Ländern, und erledigen sämtliche Prozesse der Holzverarbeitung: von der Säge bis zum Fertig-Holzhaus. An diese Konzerne wie auch nach USA und China – wo aktuell höhere Preise zu erzielen sind – gingen derzeit große Mengen an Holz, sagt Poschenrieder. „Ob es ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist, den Rohstoff über riesige Distanzen zu transportieren, lasse ich dahingestellt.“

Holz bleibt wohl weltweit ein begehrtes Gut. „Auch die nächsten paar Jahre wird die Nachfrage die Produktionskapazitäten überschreiten“, vermutet Poschenrieder. Ungewiss bleibe die Angebotssituation. Der strenge Winter und das feuchte Frühjahr in Süddeutschland haben den Wäldern, und damit dem Holzzuwachs gutgetan. „Das war aber nicht in ganz Deutschland so“, stellt Poschenrieder fest. Und: „Wie sich das mit dem Klima entwickelt, ist schwer abschätzbar.“ Vermutlich werde sich der Holzpreis auf einem hohen Niveau einpendeln.

Foto: Ingrid Grohe